Raum & Architektur

Spanische Verhältnisse?

In jenem Kleinformat, das in Oberösterreich jeder Haushalt einmal pro Woche zugestellt bekommt, quasi der regionale Spiegel des Wochengeschehens, fiel mir ein Inserat auf, das ein Bauträger neuerlich platzierte. Er pries darin Eigentumswohnungen an, die er errichtet. Hatte: Denn auffällig war in diesem Ende Februar (bevor das Coronavirus die Themendominanz übernommen hatte) erschienenen Inserat der Hinweis zur „Fertigstellung im Herbst 2019“. Dieses historische Fakt erwies sich nun in der Information für potenzielle Interessenten von gewisser Redundanz. Denn ich weiß, die Anlage an sich ist fertiggestellt, sie befindet sich in meiner unmittelbaren Nachbarschaft und wenn man in der abendlichen Dämmerung an ihr vorbeispaziert, sieht man an den nur wenigen durch Licht erhellten Fenstern, was das Begehren des Bauträgers sein muss. Von den vielen neuen Wohnungen wurden bisher erschreckend wenige verkauft.

Nun mag die Errichtung der Anlage als solche von Motiven getragen sein, die ich nicht näher kommentieren möchte. So viel ist jedenfalls offensichtlich: Nachfrage an Eigentumswohnungen und Marktbedarf gehörten sicher nicht dazu. Wenn ich von meinem Wohnort aus einen fiktiven Kreis mit Radius von nur einem Kilometer ziehe, finden sich in dieser Fläche zwei weitere Wohnanlagenprojekte, die – eines fertig gestellt, das andere wird in diesem Jahr baulich abgeschlossen – das Angebot erhöht haben bzw. erweitern werden. Wer aller soll da einziehen?

Ich nehme diese Situation im Mikrokosmos meines unmittelbaren Lebens- und Wohnumfelds als beispielgebend, denn die vom Sinn eines unmittelbar notwendigen Nutzens vollkommen befreite Wohnbauaktivität führt einerseits zur Versiegelung von Böden (und in Österreich sind wir hier bemessen am Nutzland in einer erschreckend hohen Intensität unterwegs), andererseits erzwingt sie eine infrastrukturelle Belastung der jeweils mit Wohnbau „attraktivierten“ Gegend.

Mich wundert immer wieder, wie frank und frei Bauprojekte bewilligt werden, ohne dass Architekten und Bauherren bereits in der Planung modellhaft berücksichtigen müssen, was die Zunahme an Bevölkerung in dieser Gegend bedeutet, zum Beispiel für deren Mobilität (öffentliche Verkehrskonzepte ziehen bestenfalls drei bis fünf Jahre später nach), für Nahversorgung, gesundheitliche Betreuung, Bildungs- und Freizeitmöglichkeiten. Es muss auch nicht mitbedacht werden, wie sich diese Erfordernisse im Fortschritt des Alters der Bewohner über Jahrzehnte verändern werden und wie sich so ein Stadtteil deswegen auch entwickeln (lassen) muss.

Ich erlebe die Aktivität von Bauträgern als Investment im Moment, als Ankurbeln der eigenen Wirtschaft. Gerade im Bauwesen wird doch mit Leidenschaft gejammert. Doch welche Branche wurde im shut-down als erste reaktiviert? Die Bauwirtschaft.

Die Bauherren nehmen Risiko. Mich erinnert dieses Handeln nun in unseren geographischen Breiten an jene riesigen Wohnanlagenlandschaften, die an so manchen sehr schönen, zumeist küstennahen Plätzen des spanischen Festlands als Geisterstädte zu liegen kamen. Die Verführung von Käufern zur Geldanlage und einem beschaulichen Lebensabend unter Gleichgesinnten unter spanischer Sonne am Reißbrett des wirtschaftlichen Kalküls ließ sich zwar gut rechnen, fand im Handeln der Menschen allerdings nicht zur Umsetzung. So manche Firma verschwand so schnell aus dem iberischen Wohnungsmarkt, wie sie in diesen eingetreten war.

Ich wünsche hiesigen Bauträgern, von deren solider Branchenerfahrung ich überzeugt bin, es mögen ihnen ähnliche Schicksale erspart bleiben. Und doch: Mein Blick aus der Perspektive einer Soziologie des Wohnens auf ihr Handeln kann nur Kopfschütteln auslösen.

Foto: Pexels/Free Photo Library

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