Soziales Handeln

Zwischenbilanz aus dem Pandemium

Das Pandemium, unendliche Weite. Wir schreiben Tag 70 in einer Zeitrechnung ab jenem shut-down-Monday Mitte März, als sich das Land Österreich zugesperrt hatte. Und wir schreiben Tag 24 nach dem Ende der Ausgangsbeschränkungen.

Seither haben sich einige Handlungsroutinen gefestigt, die nun vielleicht als neu eingestuft werden können. Ob sie normal sind, sei dahingestellt (was ist wirklich schon „normal“?). Ob sie gar einer „neuen Normalität“ zuzurechnen seien, will bei anderer Gelegenheit diskutiert werden.

Hier nun also unternehme ich den Versuch, für die bisherige Zeit der Pandemie (von mir sehr gerne Pandemium genannt, weil dieses Erdzeitalter ja eine bestimmte Weile andauern wird) Errungenschaften sozialen Handelns zu präsentieren, die als fortschrittlich gelten können, manche zeigen auch Schattenseiten, die beachtet, reflektiert und geregelt werden müssen.

Der Spannung halber geschieht das Ganze als Ranking, und beginnt mit …

Platz 6 – Bargeldloses Bezahlen überall: In einer hochgeschaukelten Angst vor einer Schmierinfektion (die die Fachwelt eigentlich schon längst zur Gänze ausschließt) wurde gebeten, selbst bei kleinen alltäglichen Einkäufen die schmutzigen Euro-Scheine und -Münzen in den Geldbörsen zu belassen. Es könnte ja ein auf einer Fingerkuppe sitzendes Virus über die Brücke eines Geldscheins auf die Fingerkuppe des den Geldschein Annehmenden überlaufen. Bezahle mit der Karte! Ja, bequem, darin sicher ein Segen. Und zugleich ein Fluch für jene, die dabei den Überblick über ihre Ausgaben verlieren. Den Umgang mit Geld lernen die lieben Kleinen sicher auch nicht mit dem flachen Rechteck aus Plastik und einer Freigabenummer, die man in das Terminal tippt. Also eine Errungenschaft mit Einschränkungen!

Platz 5 – Das E-Rezept: Wer regelmäßig Medikamente einnehmen muss, kann sein Rezept beim Arzt seines Vertrauens telefonisch bestellen. Über die elektronische Gesundheitsakte wird es ausgestellt. Es kann in jeder Apotheke in Österreich nach Vorlage der e-card eingelöst werden. Sehr praktisch!

Platz 4 – home office: Natürlich sind die Meinungsforscher unterwegs und sie konstatieren, dass sich weite Teile der Bevölkerung davon angetan zeigen, ihrer Erwerbsarbeit von zu Hause aus nachgehen zu können. Die Grenze zwischen Arbeits- und Freizeit löste sich auf. Ob Werktag, Wochenende oder Feiertag, der homo home-officiensis zeichnet sich dadurch aus, dass er immer am Arbeitsplatz und in Zeiten, in denen soziale Kontakte ganz stark übers gleiche Medium laufen wie die eigenen Arbeitsprozesse, natürlich stets erreichbar ist. Die Qualität der örtlichen Trennung zwischen Privatem und Beruf entfaltet ihre besondere Magie im Weg zur Arbeit als Fokussierung darauf, was man heute erledigen will, und vice versa als Entspannungsprozess bei der Rückkehr vom Arbeitsplatz nach Hause. Wenn home office bleiben soll (es riecht verdächtig danach), dann braucht es dafür ganz klare Spielregeln. Mögen sich hier Dienstnehmervertretungen profilieren!

Platz 3 – Digitalisierung: Ohne die wären wir in den sieben Wochen des strengen lock-downs grässlich verloren gewesen. Keine Kommunikation, keine Unterhaltung, keine eigene Kreativität, mit der man in social media nach der großen Öffentlichkeit schielen hätte können. Die Welt erschloss sich nur mehr über den Blick in beleuchtete Rechtecke, hochformatig und klein auf den Smartphones, querformatig auf den Monitoren von PCs, Tablets und Laptops. Dass wir in eine Phase des Übergenusses hineingerutscht sind, beweist sich, wenn selbst von Aficionados Meldungen kommen wie: „Puh, ich arbeitete jetzt 15 Stunden am Stück am Rechner, genug ist genug!“

Platz 2 – Queueing: die Kunst, sich anzustellen, unaufgeregt, geduldig, verständnisvoll, in Stille, mit dem Genuss für den Moment des Wartens, diese Gunst geschenkter Zeit, wenn sich das Gehirn auch einmal Leerlauf gönnen darf. Was wir schon immer an den Briten bewundert haben, wir durften es lernen und wir dürfen es weiterhin praktizieren, weil wir in Geschäften, in öffentlichen Einrichtungen, in Apotheken, beim Arzt und überall, wo uns das Virus pro Mensch nun mehr Platz einräumt, uns in einer Tugend üben, die wir uns erhalten mögen, nämlich …

Platz 1 – Abstand halten: ein Segen an sich, denn die Achtlosigkeit für den Nächsten musste sich ja nicht allein daran zu erkennen geben, wenn einer den nächsten anrempelte, sich jemand unter Einsatz von Schulter und Ellbogen an jemanden vorbei- oder vorschob. Wir hatten vor allem in Städten, in Veranstaltungsräumen, beim Anstellen für die morgendliche Bergfahrt mit der Gondel zum Schifahren, im Konsumrausch schon zu viel body touch! Wenn das Coronavirus uns darum vielleicht auch aufzeigen wollte, dass wir uns (ausgenommen im engeren Familienkreis) zu nahe gekommen sind, dann wollen wir lernen, uns Respekt zu zeigen, in dem wir uns gegenseitig Raum geben und Abstand halten. Sehr gerne und bitte auch weiterhin dann, wenn das Pandemium dereinst vorbei sein wird.

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