Raum & Architektur

Nadelstiche im Land

An der hinteren Wand des Schauraums des „Architekturforums Oberösterreich“ in Linz bietet eine Landkarte den Überblick über Oberösterreich. Verschiedenfärbige Nadeln stechen in die Schauplätze jener Orte, die kontaminiert sind; was heißt, ein historisches Geschehen hat dem Ort seine Prägung gegeben, die dieser nicht mehr los wird. Das weithin bekannteste Beispiel in Oberösterreich ist Hitlers Geburtshaus in Braunau (dieses soll, wie Mitte der vergangenen Woche bekannt wurde, zukünftig von der Polizei genutzt werden).

Die Ausstellung „Kontaminierte Orte“ (noch zu sehen bis 21. Dezember 2019) setzt in der frühen Neuzeit an, präsentiert das Frankenburger Würfelspiel genauso wie das ehemalige Firmendomizil der Intertrading an der Donau in Linz. Als literarischen Angelpunkt für die Aus- und Aufarbeitung verwendete Kurator Georg Wilbertz den 2014 erschienenen Essay „Kontaminierte Landschaften“ von Martin Pollack. An 14 exemplarischen Fällen untersucht er den Grund der jeweiligen Stigmatisierung der Orte, hinterfragt dabei, wie Erinnerung funktioniert, wem sie nützt, wer sie verdrängt.

Leonie Reese wählte als Gestalterin für die Präsentation der Recherche-Ergebnisse ein Stahlregalsystem, eine Form von Lagerlogistik also; auf den Blechböden, die sich zwischen die Träger spannen, stehen graue Schachteln, Archivalien, die man öffnet, um darin durch Lektüre sowohl zeithistorischer Dokumente in Kopie als auch von eigens für die Ausstellung geschriebenen Texten den Einstieg in die jeweilige Erinnerungsspur zu finden.

Dies gelänge freilich leichter, hätte man die selbst verfassten Texte noch einem Lektorat unterzogen. Denn es ist ganz besonders der Fluch der Profession Deutschlehrer (ich bin einer), die einen aus dem sinnerfassenden Lesen kippen lässt, wenn unvollständige Sätze, Grammatik-, Rechtschreib- und Tippfehler die Rezeption blockieren. Eine tadellos angewandte Sprachnorm hätte auch eine Dimension von Befreiungsarbeit entfalten können: nur in ihr und mit ihr wäre den Orten und ihren Geschichten Respekt zu erweisen gewesen.

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