Theater

Der Himmel hat für Euch entschieden, Schwester!

Ein Satz der Kapitulation? In der famosen Inszenierung von Friedrich Schillers „Maria Stuart“ durch Susanne Lietzow, mit der das Landestheater Linz (Oberösterreich) in der Sparte Schauspiel die Saison 2019/2020 eröffnet hat, schleudert Maria diesen Elisabeth nur so hin, herabgestiegen von jenem Kerker, den Bühnenbildner Aurel Lenfert als Steilstufen in den Raum gesetzt hat. So fein ist die Inszenierung, dass das Hinabsteigen von oben – dem Himmel? Die Schauspieler müssen dabei mit Seilzügen aus dem Schnürboden gesichert sein und wirken darum marionettenhaft – je nach Figur und Schritt unterschiedliche Takte hörbar macht. Oder auch nicht. Denn Mortimer schleicht zu Maria Stuart, Paulet hat einen Zweiertakt, Maria selbst schreitet gleichmäßigen Schrittes auf Stöckelschuhen aus dem Verließ nach oben.

Dieser Kerker macht die Gefangene zur steten Augen- und Ohrenzeugin all jener Verhandlungen, die vor ihr auf der Bühne stattfinden. Ein langer Konferenzzimmertisch, graue Bürostühle, zur Rechten noch ein Fauteuil wie aus einem englischen Club. Hier wird Politik gemacht und die Mylords, der Gesandte aus Frankreich, selbst Davison als eine Art Concierge lassen zu, dass zwar auf Adelsebene gesprochen wird und man dennoch sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass derlei Sitzungen auf englischem Boden gegenwärtig stattfinden. Eine Brise Brexit ist drin, darf drin sein, – nein, muss – nicht nur dann wenn sich der Gesandte (Daniel Klausner) in Outrage auf Französisch über die seltsame Essgewohnheit von „fish & chips“ ergeht und seinem Empörungsdruck mit einem „Vive la France! Vive l´Europe!“ Luft macht.

Was ist Schillers „Maria Stuart” heute? Der Blick ins Historische setzt dort an, wo das Landestheater Linz, eine altmodische Attitüde, der Spielzeit ein Motto gegeben hat, „Bekenntnisse“ lautet es. England und Schottland, die Katholikin Maria Stuart fordert, die Riten ihrer Konfession leben zu dürfen. Die Bekenntnisse sind auch politisch, es geht um Macht und den Weg dorthin, um Begleiter, Berater, Emotionen und Zerrissenheit, in der Linzer Inszenierung in den Szenen um Graf Leicester (Alexander Julian Meile) so sensibel herausgearbeitet, wenn er im Kerker nicht im Stande ist, das Urteil zu verlesen, die Vortragsstimme von Paulet (Klaus Müller-Beck), der übernimmt, immer leiser wird, sodass die Augen des Publikums dorthin gelenkt werden, wo sich die Hände von Leicester und der für die Hinrichtung bereit gemachten Maria zu berühren trachten.

Susanne Lietzow hat das Personal auf sieben Männer und zwei Frauen reduziert. Ich schätze an ihren Inszenierungen stets, wie sie mit den Schauspielern Figuren entwickelt, egal in welcher dramaturgischen Hierarchie in einem Stück diese stehen. Jede zeigt in all ihren Fasern das Fühlen, die Härte, auch den Humor. Für Elisabeth hat die Kostümbildnerin Marie-Luise Lichtenthal entschieden, an ihr in Kleidern und Schuhen die Pastellfarbenleidenschaft einer Queen durchzudeklinieren. Theresa Palfis Interpretation einer strengen englischen Lady, die aber schon einmal in Unterwäsche versucht, die schwere Krone auf ihrem Kopf über den Besprechungstisch zu balancieren, sollte mit großen Bühnenpreisen geehrt werden! Marias Kleid und Perücke in Schwarz erscheinen wie eine Uniform; wenn Paulet, darum gebeten sie zu entkleiden, sie mit abgewendetem Blick davon befreit, legt er darunter leidenschaftliches Rot frei. Gunda Schanderer zeigt diese Maria Stuart als eine Märtyrerin und Gilbert Handler, den Susanne Lietzow stets für die Bühnenmusik ihrer Inszenierungen beizieht, hat ihr für den emotionalen Moment ihrer Erkenntnis des alternativlosen Wegs ein Lied geschrieben, das sich in Gunda Schanderers Interpretation tief prickelnd unter die Haut von mir Zuhörer geschoben hat. Die Männer treten in feinen Anzügen auf, als Verhandler, Berater, Intriganten. Christian Taubenheim verdient als Burleigh besondere Erwähnung. Mit Vollglatze und Brille mit kräftiger schwarzer Fassung erinnert er an Stanley Tucci. Er zieht die Fäden, mal knallhart, mal tänzelt er ein paar Schritte aus jener Lust heraus, dass sich Entscheidungen zum Ausgang ganz nach seinen Wünschen verzahnen.

Der Schluss: Schiller lässt alle, die sich ins Funktionieren ihrer Politik gefügt haben, sich von Elisabeth abwenden. Susanne Lietzow lässt ihr nur die Zuneigung ihres Schoßhündchens.

Foto: Theresa Palfi (Elisabeth) und Gunda Schanderer (Maria Stuart) – Copyright: Petra Moser/Landestheater Linz

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