Kulturpolitik

Unsere Vision eines literarisch vereinten Mitteleuropa

Vom kommenden Freitag, 29. September, weg, gesetzt den Fall, wir würden dann 25 Jahre zurückreisen und 1998 dabei an einem Dienstag landen, würden wir (namentlich Elisabeth Rathenböck und Peter Klimitsch) berichten, dass wir mit großer Freude und nach mehr als zweijähriger Vorbereitungszeit in den ersten von vier Symposiumstagen unserer Veranstaltung „Im Wortwechsel – Ein literarischer Zirkel aus Europa “ im Stifterhaus Linz (Oberösterreich) starten.

An vier Tagen präsentierten wir Literatur von Autorinnen und Autoren aus Österreich und all seinen Nachbarländern – in reduzierter Version, das muss man auch in der historischen Distanz nochmals anführen.

1998: Österreich ist das vierte Jahr Mitglied der Europäischen Union, die oberösterreichische Landeshauptstadt Linz führt im September den „Europäischen Kulturmonat“ durch, damals noch existenter kleiner Bruder zum Großformat der „Kulturhauptstadt“ (die kam in Linz dann 2009). Wir nahmen von Anfang unserer Idee an Gespräche mit der Stadt auf, wollten Teil des offiziellen Kulturmonatsprogramms werden und scheiterten mit Literatur oder einer Literaturveranstaltung internationalen Zuschnitts im Programmkontext des Selbstdarstellungsmonats an der übergroßen Event-Vorliebe (Ars electronica, Klangwolke, etc.) von Linz, da hat sich ja in einem Vierteljahrhundert nicht wirklich etwas geändert.

Dementsprechend eingeschränkt (auch von den für ein Literatursymposium notwendigen Förderungen) gingen wir dank Unterstützung des Landes Oberösterreich, der Veranstaltungsörtlichkeit Stifterhaus und von KulturKontakt Austria auf die Minimalversion: Acht Autorinnen und Autoren zu Gast, aus Österreich, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien, Italien, der Schweiz und Deutschland, jeweils eine oder einer; ursprünglich wollten wir die zu diesem Zeitpunkt noch nicht der Europäischen Union angehörenden Staaten des formalen ehemaligen Osteuropa in ihren Transformationsprozessen nach den Revolutionen oder Kriegen mit jeweils zwei Vertreterinnen oder Vertretern der Literaturszene repräsentieren (erst 2004 traten Slowenien, Ungarn, Slowakei und Tschechien der Union bei).

25 Jahre danach noch immer zu monieren, dass sich die Stadt hier drückte, mag nachtragend klingen. Mag nicht nur, wir tragen nach. Denn unseren Schwung der Öffnung hätte man wegweisend für die nahe Zukunft der Vergrößerung der Staatengemeinschaft schon erkennen und mittragen können. Wir bauten hier in der Region auch nicht pionierhaft unser Veranstaltungsformat auf, wir setzten ein neues Puzzleteil zu Aktivitäten, die im der Stadt Linz nahen Ottensheim schon Jahre zuvor mit Stipendienaufenthalten von Autorinnen und Autoren aus Osteuropa gepflegt worden sind. Sie schrieben Erzählungen, die der Buchdrucker Christian Thanhäuser, ganz in Tradition von Gutenberg, von Hand in kleiner Auflage (100 Exemplare) setzte und druckte. Als „Edition Ranitzdrucke“ entstand für alle mit Bibliophilie eine feine Reihe von Texten. (Ich habe sie, so glaube ich, nahezu vollständig).

Mit Stolz erfüllte uns, dem Widerstand der literaturfeindlichen Kulturpolitik der Stadt Linz trotzen zu können. Wir brachten als Gäste in den Herbst 1998 nach Linz: Tereza Boučková (Tschechien), Ivan Štrpka (Slowakei), László Márton (Ungarn), Drago Jančar (Slowenien), Sepp Mall (Italien), Ilma Rakusa (Schweiz), Herta Müller (Deutschland), das gastgebende Österreich vertrat Anna Mitgutsch.

Zur Veranstaltung erschien eine Anthologie mit Texten aller acht Autorinnen und Autoren, wir druckten die nicht original deutschsprachigen in der jeweiligen Landessprache und natürlich in Übersetzung ab.

Wer Freude daran haben kann, dem sei hier verlockend angeboten: Wir haben noch Exemplare – und verschenken Sie gerne gegen eine Spende für Porto und Verpackung für den Versand – Überweisung  erbeten nach Erhalt, wir dürfen ein Zettelchen mit der Bankverbindung beilegen. Wer also eine Anthologie will, wendet sich bitte via E-Mail (siehe Impressum) an mich!

Foto: Slowenien, von uns schon bald nach der Unabhängigkeit intensiv bereist, öffnete uns den Zugang zur mittel-/osteuropäischen Literatur, als erstes Land! Hier als Referenz darum die Kirche Sv. Janeza Krstnika in Ribčev Laz am Bohinjske jezero (Wocheiner See), August 2022

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