Es war die Virologin und Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ), Pamela Rendi-Wagner, die in einem Interview in einer Zeit im Bild 2 zur Metapher griff, dass wir in einem Auto sitzen, das stark beschleunigt auf eine Wand zufährt.
Der nun bevorstehende Lockdown im Ausmaß von (vorerst) drei bis vier Wochen soll nun eine bremsende Wirkung auf das weiterhin viel zu hohe Infektionsgeschehen in Österreich ausüben. Dabei gilt es anzumerken, dass die Nachwirkungen für Spitalsaufnahme und möglicherweise auch notwendige Intensivbetreuung noch drastisch sein werden. Der Nachzieheffekt dauert in etwa drei Wochen; die, die jetzt in die Intensivbetten müssen, haben sich Anfang November angesteckt.
Was aber nun ab Montag als Lockdown stattfinden wird, scheint von jenem Charakter zu werden, wie wir es vor einem Jahr schon erlebt haben. Was wirklich stillstehen wird, ist wenig. Zugleich bleibt dabei fraglich, ob es das ist, wo Infektionen passieren und verteilt werden. Ich zweifle an der Treffsicherheit der Maßnahmen. Das wird nicht mehr als ein Tupfer auf das Bremspedal, die Wand kommt uns im Auto dennoch sehr rasch näher.
Die Politik schaut auf den wirtschaftlichen Schaden. Nun gut, der ist ohnedies bereits angerichtet. Über den sozialen der ganzen Gesellschaft hätte man schon früher in antizipierender Einschätzung reden müssen. Über den psychischen (beispielsweise bei Jugendlichen) wirft man lieber einen Mantel des Schweigens.
Ich frage heute, ob es nicht angebracht ist, einen Lockdown in wahrer Gestalt einer Vollbremsung durchzuführen. Das ganze Land macht für eine bestimmte Zeit zu. Alle bleiben zu Hause, Stillstand überall, wo es möglich ist, das heißt: natürlich nicht in den Krankenhäusern, bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, nicht im Bereich von Versorgung (Lebensmittel, Energie, Telekommunikation, Medien). Die bekannten Ausnahmen der ganztägigen Ausgangsbeschränkungen werden geringer. Der Weg zur Arbeit ist nur für die eben skizzierten Berufsfelder zulässig. Ansonsten: Auszeit, Sonderurlaub. Privatheit. Ruhe, diese täte uns auch allgemein sehr gut. Eine Abkühlphase für all die erhitzten Gemüter. Vor allem aber ein Cut für alle Infektionsketten, die sich sonst weiterhin durch unsere Bevölkerung schlängeln. Das braucht natürlich rigide Kontrollen, auch Präventionsmaßnahmen, beispielsweise dort, wo es in Familien zu häuslicher Gewalt kommen kann. Aber es ließe sich vielleicht in kürzerer Zeit ein deutlicherer Effekt erreichen als der nun absehbar sich unendlich erstreckende, der zu seinem Evaluierungszeitpunkt (1. Dezember) Enttäuschung mit sich bringen könnte. Diese würde dann noch mehr auf die knapp gewordenen Motivationsenergieressourcen der Bevölkerung drücken, logischerweise auch insbesondere bei jenen, die sich bislang mit ihrem Handeln aktiv in die Exit-Strategie aus der Pandemie gefügt haben.
Der Tupfer aufs Bremspedal wird unseren Corona-Boliden nicht vorm Crash mit der Wand bewahren. Ein kraftvoller Tritt ist gefragt.
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