Unermesslich ist, welcher Schmerz Menschen peinigt, die bei einem Terroranschlag nahe Angehörige verloren haben. Wie empfinden sie jene regelmäßig wiederkehrende Erklärung wenige Stunden später, wenn es dann heißt, der Attentäter sei nicht nur identifiziert, sondern er war den Behörden auch bekannt? Wie im Dezember in Berlin, wie Anfang April in Stockholm, wie jüngst in Manchester.
Die Meldung „war den Behörden bekannt“ ist zynisch. Einerseits zeigt sie auf, dass die Behörden sich mit dem Betreffenden sehr wohl bereits beschäftigt haben, aus Gründen, die die vollzogene Tat und das damit erzeugte Leid evident machen. Andererseits zeigt sie die Ohnmacht der Behörden. Nur eines Verdachts wegen kann und wird niemand verhaftet werden. Die Meldung überführt jene Politik, die uns in den vergangenen Jahren Privatheit mit dem Argument abgekauft hat, dies diene unser aller Sicherheit. Wir Bürgerinnen und Bürger erkennen, dass sich dieser Deal nicht einlöst. Wir haben ein schlechtes Geschäft gemacht. Unsere Sehnsucht nach absoluter Sicherheit bleibt groß, der Staat gibt nur vor, sie uns bieten zu können. Er kann es nicht.

Überwachungskameras prägen zunehmend den öffentlichen Raum: was sie sehen, nützt nicht der Prävention
Den Behörden bekannt ist grundsätzlich jede und jeder, in seinen oder ihren Daten, in seinen oder ihren Bewegungen. Die Gesetzgebung in einer Demokratie schützt vor einem Missbrauch dieses Wissens und muss dies auch weiterhin leisten. Sie zeigt auf, dass die Anhänger einer möglichst lückenlosen Überwachung (Großbritannien gilt als das Land mit den meisten Überwachungskameras) und akribischen Datensammlung eigentlich nicht mehr leben als einen Fetisch. Was bringt es, sehr rasch nach einem Terrorschlag mit einer bereits zuvor gegebenen Kenntnis eines Täters in all seinen Daten in die Öffentlichkeit zu gehen? Nichts. Es macht weder die Tat ungeschehen noch bringt es auch nur ein Opfer ins Leben zurück. Zur Legitimierung des Überwachens und Datensammelns taugt der Satz ebenso wenig wie als Petition, die letzten privaten Bastionen der Bevölkerung erobern zu dürfen.
Insofern ist die Meldung sinnlos und entbehrlich. Verzicht wäre angebracht. Der Schmerz der Angehörigen ist schon so groß genug.