
Der beste Sommer von allen! Tschick (Anand Batbileg) und Maik (Tristan Göbel) – Foto: Studiocanal Filmverleih
Was für ein Leben ist das denn? Die angebetete Mitschülerin Tatjana lädt ihn nicht zur Geburtstagsparty ein. Dabei hat er seiner Liebe zu ihr in der Rastervergrößerung ihres mit Bleistift realisierten Porträts als Geburtstagsgeschenk Ausdruck verliehen. Die eigene Mutter gewinnt die Vereinsmeisterschaft in Tennis neuerlich, trotz oder wegen des Wodkas in der Wassertrinkflasche. Ihr jährlicher Besuch auf der „Beauty Farm“, schönfärberisch für Entzugsklinik, steht wieder an. Der Vater macht glücklos in Immobilien, vom Traum des Wohn-Resorts im Grünen blieb nur das eigene Haus, es gehört längst der Bank. Er verfolgt auf einer vierzehntägigen Reise rein dienstliche Interessen – mit Assistentin Mona. Der 14-jährige Maik bekommt für diese Zeit noch 200 Euro Budget zugesteckt. Wäre da nicht auch noch der neue Schüler, ein Mathematik-Genie, das mit Schnaps im Plastiksack in die Schule schlurft und auf den unaussprechlichen Namen Andrej Tschichatschow, kurz „Tschick“, hört: zum richtigen Zeitpunkt steht er vor Maik im verlassenen Appartement, lässig am himmelblauen Lada lehnend, den er – nein, nicht gestohlen, „geliehen“ hat: Ein „devil in disguise“, die Kippe hinterm Ohr oder kalt geraucht zwischen den Lippen?
Der leider viel zu früh verstorbene Wolfgang Herrndorf (1965-2013) schrieb die Geschichte von zwei Jugendlichen in ihrem besten Sommer von allen, weil das oberflächlich sehnsuchtsvolle Roadmovie in die Walachei – der Russendeutsche Tschick will zu seinem Großvater – nichts anderes ist als eine große Initiation der beiden. Sie müssen überleben, kämpfen um Nahrung, Treibstoff, spielen mit den Grenzen des Legalen. Maik ist seiner ersten intimen Begegnung mit einer Frau (der in einer Lagerhalle aufgestöberten Isa) sehr nah. Sie stellen sich Prüfungen auf den Sinn von Lebensmodellen, etwa ob Reproduktion von Faktenwissen, wie das die Kinder in der Risipisi-Familie perfektioniert haben, tatsächlich die volleren Töpfe (Nachtisch!) einbringt. Und zu guter Letzt geht es auch darum, Verantwortung zu übernehmen. Wenn du wer sein willst, dann musst du auffallen, weist Tschick Maik seinen Weg in die Männlichkeit.
„Tschick“ war als Jugendroman schon ein echter Heuler. Nun verbeugt sich die Verfilmung vor dem Erfinder Herrndorf. Regisseur Fatih Akin realisierte das gut gestraffte Drehbuch, er schwelgt in farbenreichen Bildern, so ein himmelblauer Lada macht sich in und zwischen den Feldern ostdeutscher Bundesländer auch wirklich hervorragend. Den exzellenten Cast führen Tristan Göbel als Maik und Anand Batbileg als Tschick an. Für die Nebenrollen sind sich die Großen des deutschen Filmgeschäfts nicht zu minder, etwa Udo Samel als Lehrer Wagenbach, Uwe Bohm als Maiks Vater oder Friederike Kempter als Anwältin. So richtig Akin ist der Film allerdings wegen des gut gemixten Soundtrack (von Richard Claydermans „Ballade pour Adeline“ bis „Willkommen im Dschungel“). Das Buch ist längst Kult, der Film bewegt sich verdächtig in Richtung des gleichen Status!