Politik

Ein belasteter Begriff braucht Befreiung

Das ist ein Aufruf! Den Anlass dafür bietet der Umstand, dass seit wenigen Tagen direkt vor meinen Fenstern ein Plakat einer wahlwerbenden Bewegung affichiert worden ist, noch dazu in einem Leuchtkasten. Die zweifelhafte Botschaft leuchtet in der Nacht. Es geht um einen vor allem auch durch den historischen Verlauf des 20. Jahrhunderts sehr belasteten Begriff: „Heimat“.

20150904_104459Ich plädiere für eine möglichst vielfältige Aufladung und Verwendung des Begriffs in der Öffentlichkeit, um die einseitige ideologische Belastung zu durchbrechen. Denn auf dem Plakat ver-rückt der sprachliche Kontext „Heimat“. Das Adjektiv „sichere“ davor, und die vorangestellte Phrase „sichere Grenzen“, machen Heimat zu einem eingezäunten Schrebergarten, in dem eine vermeintliche Idylle erhalten bleiben soll, aber – dieser Realität verweigert sich diese Bewegung – nicht kann. In der Landeshauptstadt Oberösterreichs plakatiert die gleiche Partei: „Linz muss Heimat bleiben“. Das ist sie, das wird sie, auf der Sachebene ist der Satz eine Tautologie. Die Botschaft steckt ohnedies im Nicht-Gesagten, vermittelt in einer Metrik (dreimal betont-unbetont), die einen Takt kürzer ist als das legendäre „Wien darf nicht Chicago werden“.

Heimat, das ist mehr als die einseitige Bestimmung einer kulturellen Ursprungsidee, die zugleich Ausgrenzung alles anderen, gesammelt unter dem Begriff „das Fremde“, beinhaltet. Es braucht andere Zugänge, diese wollen, diese müssen artikuliert werden. Heimat hat für mich eine räumliche, vor allem aber eine soziale Dimension. Heimat ist der Ort, an dem ich mich überwiegend aufhalte, von dem aus ich mich frei (ohne Grenzzäune) bewegen kann und immer können möchte, an den ich wieder zurückkehre, weil ich hier meine Ressourcen habe. Dazu gehört vor allem das Netz meiner sozialen Beziehungen; Heimat ist also der Ort, von dem aus ich dieses mein Netz spanne. Heimat ist darum natürlich veränderbar, wandlungsfähig, offen.

Heimat braucht als Begriff eine Belebung. Nur wenn viele unterschiedliche Ideen ihn beanspruchen und verwenden, können wir ihn aus seiner einseitigen Vereinnahmung befreien.

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