Raum & Architektur

Eine Zoogeschichte

„Jetzt sollten wir halt wissen, was er sich gerade denkt“, sagt der Mann. Wir stehen Schulter an Schulter im „Pongoland“ des Zoos Leipzig. Das ist jene Lebensraumlandschaft, die als eine der ersten der Neukonzeption des Zoos („Zoo der Zukunft“ als Naturerlebnispark) im Frühjahr 2001 in Betrieb ging. Sie bietet ein riesiges Areal für Menschenaffen: Schimpansen, Westliche Flachland-Gorillas, Bonobos, Sumatra-Orang-Utans.

In der Höhle, durch die der Wanderpfad fürs Publikum führt, ergibt sich eine Begegnungsmöglichkeit mit den Orang-Utans, nur getrennt durch eine Glasscheibe. Und an dieser kauert ein Orang-Utan, Männchen oder Weibchen? Also, „was er sich gerade denkt“, könnte auch richtiger formuliert sein mit „was sie sich gerade denkt“ und die Wahrscheinlichkeit, auf die Zahl und Geschlechtsverteilung der Tiere hin besehen, gibt der weiblichen Version eher den Anspruch auf Richtigkeit. Wir staunende Zoobesucher können es in unserem Laientum allerdings nicht definitiv bestimmen. Wir sehen den Affen, sie hält sich eines von den vielen Packpapieren, die im Gehege verfügbar sind, konsequent über den Kopf. Ein anderer Orang-Utan wird ihr später einmal in dieser Meditation mit uns auf der anderen Seite der Glasscheibe das Papier herunterreißen. Sie wird es sich ganz rasch wieder überziehen.

An der Glasscheibe wird der Atem des Tiers sichtbar. Eine niedrige Holzbank auf unserer Seite lässt zu, dass wir Platz nehmen. Wir wechseln einander ab, denn diese Intimität der Situation mit einer Sumatra-Orang-Utan lockt Leute an. Wer sitzt, bekommt die Chance auf sehr nahen Augenkontakt, wenn man sich vorbeugt, sicher unter dreißig Zentimeter. Die Pupillen des Affen wandern beständig von links nach rechts und zurück.

Ein kleines Mädchen in einem himmelblauen Herbstmantel tritt seitlich zur Glasscheibe. Es löst die minutenlange, erstarrte Kauerstellung dahinter auf, die Orang-Utan trollt sich nun davon.

Im Zoo Leipzig entstand „Pongoland“ (pongo: wissenschaftlicher Gattungsname der Orang-Utans), um dort Verhalten und Wahrnehmungsfähigkeit von vier Menschenaffenarten zu erforschen. Dies erfolgt als ein Projekt der Abteilung Vergleichende und Entwicklungspsychologie des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Ein Forschungsergebnis: Schimpansen spielen besser Memory als wir, ihre doch sehr nahen Verwandten, die Menschen.

Als ich dies vor Ort erfuhr, berichtete ich der Liebsten (die jobgebunden zu Hause in Oberösterreich bleiben musste) dies wegen unserer gemeinsamen Leidenschaft für Tierverhaltensforschung kurz via WhatsApp. Ihr knapper Kommentar: „The myth of humane supremacy“. Genau, so viel dazu!

2 replies »

    • Lieber Otmar!
      Danke für deinen Hinweis! Nein, nicht die Autokorrektur, sondern die Unentschlossenheit zwischen „herumtollen“ und „davontrollen“. Nun ist es klar entschieden – und nachgebessert!
      Liebe Grüße, Peter

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