Film

Fernsehnostalgie – Rotwein zu Fisch?

Am 31. Oktober 2020 verstarb Sean Connery und ich hätte nicht unbedingt mitbekommen, dass man den Abgang dieses großen Schauspielers ausgiebig damit gewürdigt hätte, indem sein Filmschaffen „in memoriam“ reichlich Fernsehprogrammplätze zugeteilt erhalten hätte.

Umso erfreulicher war darum der Umstand, dass Servus TV im Rahmen seines „Bondsamstags“ (23. Jänner 2021, 20:15 Uhr) den wohl besten Bond-Film mit Connery, den zweiten aus dem Jahr 1963, nämlich „Liebesgrüße aus Moskau“ wiederholte.

Die Geschichte ist rasch erzählt: Nachdem Bond Dr. No getötet hat, der der Organisation PHANTOM angehörte, hat diese zwei Interessen, erstens, an eine russische Dechiffriermaschine zu kommen und, zweitens, sich am britischen Geheimagenten zu rächen. In dieser dramaturgischen Konstellation, in der sich ein Verbrechersyndikat in den Kalten Krieg einmischt, brauchte es für die Verfilmung von Ian Flemings Roman nicht mehr als zwei starke reale Schauplätze, Venedig und Istanbul. Dazu setzte man auf den Mythos Orientexpress und auf zwei Szenen mit Massen-Statisterie – die Schachweltmeisterschaftsszene gleich zu Beginn und der Kampf im Zigeunerlager, irgendwie ein Schuss Western im Agententhriller. Alles andere spielt in einer soliden Studiodekoration. Dort agiert eine hervorragende Besetzung: Für die desertierte KGB-Agentin Rosa Klebb gewann man mit Lotte Lenya eine Schauspielerin und Opernsängerin, die sich in der deutschsprachigen Theaterszene 1928 als Uraufführungsbesetzung der Jenny in Brechts „Dreigroschenoper“ Rang und Namen gemacht hatte. Robert Shaw gibt dem Killer Grant auf Bonds Fersen eiskaltes Kalkül und wird fast zu spät vom Helden in der Tarnung entlarvt, weil (nicht nur) die (britische) Etikette Rotwein zu Fisch als „no-go“ tadelt. Daniela Bianchi spielt Tatiana „Tanja“ Romanova, das Lockvogerl russischer Herkunft, von Klebb instrumentalisiert. Ganz im Frauenbild der frühen sechziger Jahre gibt sie sich bei der Orientexpress-Fahrt ganz ihrem „Mr. Somerset“ (Bond) hin, sodass sie, zwar aufgeflogen, nichts von ihrem Auftrag gestehen kann außer „Ich weiß nur noch, dass ich dich liebe“.

In „Liebesgrüße aus Moskau“ wird nicht nur der Top-Agent erstmals mit Spezialausrüstung ausgestattet, einem Pager, einem Autotelefon mit Kabel (!) und einem wundersamen Waffenaktenköfferchen. Die Kameraführung von Ted Moore (Regie führte beim zweiten Bond-Film wie beim ersten Terence Young) serviert ein paar Gusto-Stückchen, so etwa die Kamerafahrt am Bahnsteig in Belgrad, wenn Bond dem Zug entlang geht und im Gang des Waggons dahinter ihm Grant wie ein lästiger Schatten folgt.

Als Nummer zwei einer bisher 24 veröffentlichte Filme langen Reihe haftet „Liebesgrüße aus Moskau“ das Image jedes ersten Sequels an. Es steht dem Erstling nach, dessen Strahlkraft Teil zwei immer überragt. Insofern besteht für „From Russia With Love“ (so der Originaltitel) auch weiterhin in Sachen würdigender Rezeption Nachholbedarf, wohl auch deswegen, weil hier die Grundzutaten eines Bond-Films nahezu spartanisch beigegeben, filmisch aber opulent gemixt worden sind.

Apropos Veröffentlichung: Das 25. Leinwandabenteuer des britischen Topagenten, das letzte, in dem Daniel Craig diesen spielt, rutscht der Entwicklung der Pandemie folgend, darum quasi wie ein Indikator ihrer Kontrollierbarkeit, durch die Kalender der ohnedies zurzeit noch geschlossenen Kinos. Ursprünglich sollte der Film mit dem irgendwie für unsere Gegenwart mit dem Coronavirus symptomatischen Appell im Titel („Keine Zeit zu sterben“) im April 2020, dann im November 2020, zuletzt im April 2021 und nun doch erst im Oktober 2021 sein weltweites Massenpublikum in den Lichtspielhäusern finden können. Irgendwie wird man den Eindruck nicht los, dass die Planung der Produktionsfirma damit ein deutlicheres Signal zum Pandemie-Ende setzen kann und will als das Krisenmanagement so mancher Regierung.

Foto: Stillleben aus Istanbul, Mai 2008

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