Musik

„Wie Pink Floyd, nur viel besser“

Ich hatte die LP. Wenn ich mich richtig erinnere, bekam ich sie geschenkt. Schwarzes Cover, die markante Profillinie des Kopfs vom Musikanten Gottes, Anton Bruckner, darunter in einem kleinen hellen Schein gezeichnete Musiker im Look der siebziger Jahre, lange Haare, Schlaghosen, bunte Akzente durch Hemden. Wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt, lag das Album einmal für mich unterm Christbaum. Weil der Unterstufler im ehrwürdigen Gymnasium an der Spittelwiese in Linz den Puls der Stadt spürte, in der Musik war das Eela Craig, und das Album hieß „Missa Universalis“, diese wurde 1978 komponiert. Da war ich elf Jahre alt, die Platte bekam ich mit zwölf.

Eela Craig machte Musik wie aus der großen weiten Welt und doch kam die Band aus einer Stadt, deren Slogan damals lautete, dass es in ihr beginnt („In Linz beginnt´s“), gerne paraphrasiert auf Grund der Stahlindustrie und deren Emissionsgebaren zu „In Linz stinkt´s“.

Mit Eela Craig und dem psychedelischen Sound, der klingt „wie Pink Floyd, nur viel besser“ (Helmut Jasbar), sauber untersetzt mit Anleihen aus der Jazzwelt, begann eine Zeit, in der die Magie aus den Synthesizern betörte, vor denen wir damals niederknieten, weil Musik plötzlich aus Rechnern kam. Das Pionierhafte war weithin zu riechen, weiter als der Gestank der verstaatlichten Industrie. So wuchs eine Generation auf, die nicht die meine war, sondern die vor mir. Ich und meine Altersgenossen, wir waren im Schatten der ein wenig Älteren unterwegs, so richtig trauten wir uns nicht heraus, weil „die Großen“ uns nicht ganz für voll nahmen, geht doch spielen, meinten sie. Das taten wir auch wenig Jahre später, als wir uns mit einem Commodore 64 oder einem Sinclair ZX81 ausstatteten, zwei Rechner der frühesten Generation für die Heimanwendung als Programmierpioniere – ja, als solche fühlten wir uns. In der fünften Klasse Gymnasium wählten wir als Freigegenstand EDV und pilgerten dazu in einen Raum in der HTL II Paul-Hahn-Straße in Linz, in dem die Hälfte des Raumvolumens durch einen Rechner gefüllt war, wir BASIC als Programmiersprache erlernten und unsere Programmierersttaten auf Lochstreifen speicherten.

Mit den ersten Heimcomputern und der gelebten Glaubensfrage, ob Commodore oder Sinclair, ich übrigens ein Jünger des letzteren, experimentierten wir. Die einen programmierten Spiele, Tennis-Simulationen etwa oder Roulette; die anderen, die es mit eisern gespartem Taschengeld zur Investition in einen Lautsprecher gebracht hatten, probierten sich in dem, was vor allem Hubert Bognermayr bei Eela Craig und später dann gemeinsam mit Harald Zuschrader in großen sinfonischen Werken wie „Erdenklang“ oder „Bergpredigt“ und erst recht als einer der Mitbegründer von Ars Electronica vorlebte. Wir versuchten, mit Programmen Töne zu generieren (von Komponieren zu sprechen wäre einfach zu hoch gegriffen). Wir versuchten, ins Fahrwasser jener zu steuern, die von Linz aus der Welt lehrten, dass man auch aus einer österreichischen Provinzstadt, die historisch gebrandmarkt worden war, und sich in den siebziger Jahren hauptsächlich über die Stahlindustrie definierte, kommen und es dennoch zu etwas bringen kann.

Am vergangenen Donnerstag also trat der Kern der Band zum eigenen 50-Jahr-Jubiläum (1970 gegründet) – fünf von ihnen schauten und hörten irgendwo von oben zu – im Brucknerhaus auf. Er zelebrierte im ersten Teil Ways To Heaven und die fünf hörten im zweiten Teil zu, was der oberösterreichische Komponist Thomas Mandel in einem Remake ihrer „Missa Universalis“ aus einer Rockmesse der späten siebziger Jahre für Ohren am beginnenden dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gemacht hatte. Das Bruckner Orchester Linz unter Leitung von Marc Reibel, mit den Sangessolisten Sanne Mieloo und Drew Sarich sowie dem Hard-Chor, spielte diese Uraufführung. So etwas Beglückendes, eine Art Liftfahrt aus Nostalgie zu einem starken Sound Gegenwart. Mit standing ovations im ausverkauften Saal am Schluss. Absolut berechtigt.

Foto: Programmheft des Konzerts am 5.3.2020, Brucknerhaus Linz (Oberösterreich)

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