Er wolle da ein bisschen kreativ sein, sagte der österreichische Innenminister schon früher, und meinte Tage vor seiner griffigeren Formulierung, er wolle die Menschenrechte so auslegen, dass ihm das Abschieben straffällig gewordener Asylwerber leichter exekutierbar werde.
Dann kam sein Fernsehauftritt am vergangenen Dienstagabend, in dem er sich zur Unterordnung des Rechts unter die Interessen der Politik bekannte. Seither ist es in Österreich, wie es immer nach den markigen Sprüchen des Juniorregierungspartners ist. Der Empörungseifer auf der einen Seite ist groß, der Beschwichtigungseifer auf der anderen ebenso. Beide Blasen blähen sich auf. Noch fehlt die Zündung einer „Nebelgranate“ eines belanglosen neuen Aufregerthemas zur Ablenkung von dieser weiteren Überschreitung der roten Linie, die sich ein Mann in Überforderung durch sein Amt geleistet hat. Die Schuhe der Aufgabe Innenminister sind ihm, dem toughen Parteiideologen und -strategen, einfach zu groß. An früherer Stelle habe ich hierorts bereits dafür plädiert (und ich stehe weiterhin dazu), dass Denken und Handeln des Herbert Kickl zu unser aller Wohl in der österreichischen Demokratie allerdings gut sichtbar bleiben müssen. Es fragt sich nur, in welcher Aufgabe.
Nun steht also ein Misstrauensantrag im Parlament an. Die NEOS kündigten diesen an. Die sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) wird diesen unterstützen, die Liste JETZT (vormals Pilz) – das kann man annehmen – auch. Die Freiheitlichen werden ihren ehemals langjährigen Generalsekretär freilich schützen. Somit wird im Parlament passieren, dass sich die Neue Volkspartei von Bundeskanzler Sebastian Kurz entweder im Klubzwang und unter Berufung auf ein geltendes Regierungsübereinkommen in Duldung der innenministerlichen Überschreitung des Verfassungsbogens geschlossen dem Willen ihres Juniorpartners unterwerfen muss. Oder: Auch ihre Mandatare erheben sich zum Misstrauensantrag von ihren Plätzen, um in Achtung des Grundkonsenses der Zweiten Republik, dazu gehört unstrittig und undiskutierbar die Menschenrechtskonvention, diesen und das demokratische Ansehen des Landes zu schützen.
Es wird der wohl spannendste Misstrauensantrag seit langem, dessen Abstimmungsergebnis eine deutliche Aussage über den Zustand des Landes treffen wird. Ein weiteres Abrutschen in die Illiberalität ist genauso möglich wie das Ziehen der Notbremse: Eine Prüfung im Pflichtgegenstand Demokratie für 61 Mandatare der Neuen Volkspartei.
Update am 2.2.2019: Der Misstrauensantrag gegen den Innenminister wurde am 30.1.2019 im österreichischen Nationalrat mit den Stimmen der Regierungsparteien abgeschmettert.
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